22. Mai 2022 | fighters for peace
...in der Ukraine und in Russland:
Die „Kämpfer für den Frieden“ sind eine nicht-kommerzielle Organisation, die von ehemaligen Kämpfern des libanesischen Bürgerkriegs ins Leben gerufen wurde. Sie wurde 2014 gegründet. Die ehemaligen Kämpfer treten ein für Frieden und Versöhnung.
Am 24. Februar 2022 befahl Putin seinen Truppen die Invasion in der Ukraine. Millionen Ukrainer*innen flohen aus ihren Häusern und Tausende starben auf dem Schlachtfeld, sowohl ukrainische und russische Soldat*innen. Tausende von ukrainischen Zivilist*innen wurden verletzt oder getötet oder wurden obdachlos.
Wir, ehemalige Kämpfer aus der Organisation „Fighters for Peace“ sind angesichts dieses neuen, so sinnlosen Krieges noch immer schockiert. Es schmerzt uns, die ganzen Zerstörungen zu sehen. Es schmerzt uns, Zivilist*innen leiden zu sehen, wie sie in Angst leben, wie sie ausgebombt werden und sterben. Es schmerzt uns zu sehen, wie junge Männer, Soldaten auf beiden Seiten, für einen Krieg sterben, der hätte unterbleiben müssen.
Wenn wir die Nachrichten in den Fernsehkanälen und die Ruinen ukrainischer Städte sehen, bringen diese Bilder unsere Erinnerungen wieder zum Vorschein, die wir versucht haben, aus unserem Bewusstsein zu tilgen. Die Bilder von zerstörten Häusern und Wohnungen erinnern uns an die Ruinen unserer eigenen Städte, in unserem eigenen Land. Wenn wir die Nachrichten ansehen und erleben, wie Millionen von Frauen und Kindern aus ihrer Heimat flüchten, erinnert uns das an unsere eigenen Söhne und Töchter, die dazu gezwungen wurden, ihr Heimatland zu verlassen, weil es nur noch aus Ruinen bestand und ihnen keine Zukunft mehr bot. Wenn wir die Beerdigungen von Soldaten und Massengräber für Zivilist*innen sehen, erinnert uns das an unsere eigenen Geliebten und an unsere Kameraden, die wir während des libanesischen Bürgerkriegs verloren haben. Wenn wir von Gräueltaten, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit lesen, die in ukrainischen Städten passiert sind, zerbricht das unsere Herzen und wir denken dabei an die schrecklichen Massaker, die während des libanesischen Bürgerkriegs passiert sind. Wir verurteilen solche Gewalt gegen Zivilist*innen und glauben, dass ein dauerhafter Friede nur erreicht werden kann, wenn diejenigen, die solche Verbrechen begangen haben, dafür zur Rechenschaft gezogen werden und Gerechtigkeit herrschen wird.
Wir als ehemalige Kämpfer des libanesischen Bürgerkriegs glaubten einmal an die ehrbaren Motive unseres Kampfes. Wir glaubten daran, dass wir durch Gewalt unsere ehrbaren Ziele erreichen könnten. Doch nach 15 Jahren des Bürgerkriegs mussten wir zugeben, dass wir nichts außer Zerstörung und Tod und Leiden erreicht hatten. Unsere ehrbaren Ziele konnten wir nicht erreichen. Stattdessen hinterließen wir unser Land in Schutt und Asche. Wir lernten auf schmerzliche Weise, dass Gewalt immer nur wieder Gewalt hervorbringt. Am Ende musste ein Kompromiss gefunden werden. War der den Kampf und das Sterben wert? Wir denken nein.
Fraglos hat jedes Land das Recht, sich selbst gegen jede fremde Aggression zu verteidigen. Während es klar ist, wer in diesem Konflikt in der Ukraine der Aggressor ist, so glauben wir fest, dass die Feindschaften nur durch Dialog und Kompromisse gelöst werden können, und nicht durch Gewalt und Krieg. Wir als ehemalige Kämpfer des libanesischen Bürgerkriegs sind heute gegen JEDEN KRIEG. Wir sind gegen jede Form von Gewalt. Krieg und Gewalt führen nirgendwo hin. Das ist unsere erlebte Erfahrung.
Wir sind gleichfalls dagegen, dass nun ausländische Kämpfer in diesen Krieg in der Ukraine (oder wo auch immer) eintreten. Einige von uns haben sich früher auch in fremde Armeen oder in dortige Milizen eingereiht. Auch wenn sie meinen, dass sie auf der richtigen Seite kämpfen, so werden sie später doch herausfinden, dass sie nur benutzt worden sind. Wir sind gegen solche aus dem Ausland hinzukommenden Kämpfer, ganz egal, auf welcher Seite sie kämpfen. Ausländische Kämpfer, Milizionäre und Söldner machen den Krieg nur noch komplizierter und eine friedfertige Lösung noch schwieriger. Ausländische Kämpfer sind außerdem noch schwerer zu kontrollieren als reguläre Soldaten in einer nationalen Armee. Untersuchungen haben gezeigt, dass ausländische Kämpfer eher dazu bereit sind, Gräueltaten und Kriegsverbrechen zu begehen als reguläre Soldaten. Und ebenso ist bekannt, dass einige ausländische Kämpfer, die jetzt in die Ukraine reisen – auch wenn sie nur eine kleine Minderheit sind –, Extremisten sind, die nur Kampferfahrungen sammeln und dann in ihre Heimatländer zurückkehren wollen, wo sie eine Sicherheitsbedrohung darstellen.
Glaubt uns bitte, wenn wir euch Folgendes sagen:
Alle Soldaten und Kämpfer, ob sie nun national oder fremd sind, werden für immer tiefe Kriegswunden mit sich tragen. Viele von ihnen werden als andere Menschen nach Hause zurückkehren – als Menschen, die für ihr ganzes restliches Leben an schlimmen Traumata leiden werden. Wir als ehemalige Kämpfer aus dem libanesischen Bürgerkrieg wissen genau, wie sich der Krieg auf euch auswirken wird, weil wir bereits selbst durch diese Erfahrung gegangen sind. Wir überlebten 15 Jahre eines Bürgerkriegs und unsere Wunden werden niemals heilen. Unsere Albträume werden niemals aufhören. Unser Wunsch nach Trost wird sich niemals erfüllen. Unsere Sorgen und unser Schmerz für all die Verluste werden niemals verschwinden. Und unser eigenes Bereuen wird denen, die umgebracht wurden, niemals ihr Leben zurückgeben.
Wir, ehemalige Kämpfer des libanesischen Bürgerkriegs, stehen an der Seite all jener, die sich ernsthaft bemühen, eine friedvolle Lösung für diesen Krieg zu finden, denn solche Friedensaktivist*innen sind die wahren Held*innen in diesem Krieg. Als Kämpfer haben wir nur gelernt, wie man Häuser und Städte zerstört. Wir haben niemals gelernt, etwas aufzubauen. Einen Krieg zu führen ist viel einfacher, als den Weg zum Frieden zu gehen.
Wie immer schwierig der Weg zum Frieden sein mag, so ist ein Kompromiss, wie schmerzlich er auch sein mag, die einzige Lösung, um diesem sinnlosen Blutvergießen ein Ende zu bereiten. Wir fordern alle Fraktionen an der Macht dazu auf, diesen Krieg sofort zu beenden und zum Verhandlungstisch zurückzukehren. Wir fordern alle Soldat*innen und alle Kämpfer dazu auf, die Waffen niederzulegen. Nur durch den Dialog kann eine Lösung verwirklicht werden, nicht durch Gewalt. STOPPT DIESEN KRIEG JETZT!
Kämpfer für den Frieden, Libanon (April 2022)
Weblink: Fighters for Peace, http://fightersforpeace.org/
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